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Die Weissweinlegende aus dem Piemont

Das Weingut der Familie Giacosa ist weltberühmt für eine formidable Stilistik, die auch im facettenreichen Weisswein Roero Arneis unverkennbar ist. Eine tragende Rolle in der Erfolgsstory dieser autochthonen Spezialität spielt der Traditionalist Bruno Giacosa, dessen Tochter Bruna mit dem Jahrgang 2021 gerade wieder eine vorzügliche Interpretation dieses piemontesischen Klassikers abgeliefert hat.

von Anselm Link am 21.03.2023

Die Weissweinlegende aus dem Piemont
Die herrliche Hügellandschaft der Langhe

Beinahe wäre Arneis von der Bildfläche verschwunden

Arneis ist eine sehr alte Rebsorte, die in Italien ausschliesslich in der Region Piemont angebaut wird. Im lokalen Dialekt des Piemont bedeutet Arneis soviel wie "die kleine Schwierige", weil die spät reifende Varietät zwar wuchskräftig und ertragreich, aber sehr anfällig für Echten Mehltau ist. Als die fast vergessene Sorte in den 1990er-Jahren wiederentdeckt wurde, waren nur noch etwa 50 Hektar Rebfläche bestockt, doch seitdem hat Arneis eine faszinierende Renaissance erlebt und wird heute wieder auf mehreren hundert Hektar kultiviert. 

Der legendäre Bruno Giacosa widmete der autochthonen Rebsorte zeitlebens besondere Aufmerksamkeit und gehörte zu einer kleinen Gruppe von Pionieren, die sich sehr für den Erhalt der weissen Spezialität eingesetzt haben – ohne sein Engagement und das einiger Winzerkollegen wäre Arneis möglicherweise ganz aus den Weinbergen des Piemont verschwunden. Nicht zuletzt dank seiner Initiative und dem stetig wachsenden Renommee seines Arneis aus dem Anbaugebiet Roero sind zahlreiche Weinbauern im Piemont wieder auf den Geschmack der anspruchsvollen Rebsorte gekommen, die heute das weisse Aushängeschild der Region ist.

Im Glas zeigt sich der 2021er Roero Arneis von Giacosa wunderbar lebhaft, mit strahlend gelber Farbe von mittlerer Dichte. Die ausdrucksstarke Nase, die neben zitrischen Noten auch etwas Gravensteiner-Apfel, Aprikosen und Mandelblüten offenbart, duftet überaus einladend und animierend. Der Auftakt am Gaumen ist sanft – frische Akzente und eine geschmeidige Säure stehen in perfekter Balance, eingebunden in den herrlichen Geschmack von viel gelber Frucht, Blütenhonig und einer Spur Marzipan. Wie schon ihrem Vater gelingt es Bruna Giacosa mit meisterhafter Präzision im harmonischen Finish dieses Piemonteser Weissweinklassikers Komplexität, Spannung und Mineralität exzellent miteinander zu verbinden. Salute!

Eine Referenz des Piemont

Das Weingut der Familie Giacosa, das östlich von Turin in der sanft hügeligen Landschaft der Langhe liegt, gehört zu den berühmtesten Namen der italienischen Weinwelt. Insbesondere mit seinen komplexen und langlebigen Rotweinen aus den Gemeinden Barolo und Barbaresco, die als Ikonen unter den Klassikern des Piemont gelten, hat Bruno Giacosa Weltruhm erlangt. Heute steht seine Tochter Bruna an der Spitze der Azienda Agricola Falletto, die den traditionellen Stil ihres Vaters konsequent beibehalten hat und deren Weine denen des Altmeisters in nichts nachstehen. Hinsichtlich Ausdruck, Eleganz und Finesse sind die Gewächse der Familie Giacosa auch heute noch einzigartig im Piemont.

Die Ursprünge des Familienweingutes Giacosa reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück, als zunächst Carlo, der Grossvater von Bruno, und später sein Vater Mario die Früchte umliegender Traubenproduzenten einkaufte und an etablierte Häuser weiterveräusserte. Der Schwerpunkt des Betriebs lag damals noch im Bereich des Handels – eigene Weinberge besass die Familie zu diesem Zeitpunkt noch keine und Wein produzierten die Giacosas nur in kleinem Umfang für den Eigenbedarf. Bruno Giacosa begann bereits in jungen Jahren im Familienunternehmen mitzuarbeiten und lernte auf diese Weise alles über Traubenqualität und die Herstellung von Wein – die notwendigen Handgriffe im Rebberg waren ihm bald ebenso vertraut wie die wichtigsten Tätigkeiten im Weinkeller. Sein erworbenes Wissen setzte Bruno Giacosa erstmals bei der Vinifikation eines Barbaresco Riserva im Jahrgang 1961 ein, danach nahm die Erfolgsgeschichte ihren Lauf, denn sein Händchen für guten Geschmack sprach sich schnell herum. Bereits ab 1964 füllte Bruno Giacosa seine ersten Weine aus Einzellagen ab: Und in diesem Punkt war der Jungwinzer sehr modern und gehörte zu den ersten Piemonteser Produzenten, die Weine aus privilegierten Parzellen separat kelterten.

Nachdem Bruno Giacosa in den ersten zwanzig Jahren seiner erfolgreichen Karriere all seine Weine aus zugekauften Trauben von sorgfältig ausgewählten Weinbergen in der Nachbarschaft produziert hatte, konnte der Gutsbesitzer ab Anfang der 1980er-Jahre zunächst eine erstklassige Parzelle in Barolo und später weitere Toplagen in Barbaresco, La Morra und Serralunga erwerben. Doch auch wenn das Gut mittlerweile etwas mehr als zwanzig Hektar Rebfläche umfasst, werden nach wie vor auch besonders gut ausgereifte Trauben befreundeter Betriebe für die eigenen Weine verwendet. 

Perfekte Balance zwischen Tradition und Moderne

Im Unterschied zu vielen Winzerkollegen, die ihre Rotweine mittels kürzerer Mazeration und dem Ausbau in Barriques deutlich moderner vinifizierten, um geschmeidigere, früher trinkreife und eichenwürzigere Weine zu erhalten, hielt Bruno Giacosa stets an der traditionellen Stilistik der Weine sowie dem Ausbau in grossen Holzfässern und langen Reifezeiten fest. Eine Begrenzung des Tanningehaltes beispielsweise lehnte der Winzer der alten Schule entschieden ab, weil spürbare Gerbstoffe für ihn zu den unverzichtbaren Merkmalen der Rebsorte Nebbiolo gehörten. 

Doch Bruno Giacosa Festhalten an Traditionen ist keineswegs mit fehlendem Pioniergeist zu verwechseln – im Gegenteil. Denn gegenüber kellertechnischen Neuerungen und Entwicklungen, die eine verbesserte Bereitung der Weine ermöglichten, ohne aber den Charakter der Weine zu verändern, zeigten sich Giacosa und sein Kellermeister Dante Scaglione stets sehr aufgeschlossen: Beispielsweise konnte dank neuer Edelstahltanks nicht nur die Tanninausbeute optimiert, sondern auch deutlich samtigerer Gerbstoff extrahiert werden. Zudem wurden die alten Holzfässer aus slawonischer Eiche nach und nach durch neue, mittelgrosse Gebinde aus Frankreich ergänzt, was den Weinen spürbar mehr Raffinesse verliehen hat, ohne aber den charakteristischen Geschmack der Rebsorte mit vordergründigen Röstaromen und Vanillenoten zu überdecken.

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