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«Bordeaux ist die Champions League»
Tjark Witzgall ist seit 15 Jahren bei Mövenpick Wein als Bordeaux-Einkäufer. Er verrät Ihnen, wie er es schafft, jedes Jahr neue Topweine aufzuspüren und was für ihn die Faszination des Bordeaux ausmacht.
von Susanne Aebi am 28.10.2022
Die wichtigsten Termine im Kalender jedes Bordeaux-Einkäufers sind die Primeur-Degustationen im Frühling. Das bedeutet aber nicht nur Spass, wie viele denken.
In den zwei Wochen vor Ort reiht sich ein Termin an den nächsten. Um dieses Programm bewältigen zu können, muss man sehr fokussiert degustieren. Über jeden einzelnen Wein ein professionelles Urteil zu fällen, erfordert Selbstdisziplin und Erfahrung. Man sieht jeweils sehr genau, wer das zum ersten Mal macht und von der gewaltigen Menge überfordert ist.
Wie gehst du vor, um einen Jahrgang umfassend zu bewerten?
Ich fahre jeweils über 1000 Kilometer von Weingut zu Weingut. Um mir ein aussagekräftiges Bild des Jahrgangs machen zu können, reicht es nicht, die Topnamen abzuhaken. Denn diese liefern jedes Jahr gute Resultate ab. Wie die kleinen, weniger bekannten Weingüter mit den Wetterbedingungen umgehen konnten, sagt viel mehr aus über die Qualität des Jahrgangs. Für mich ist es deshalb selbstverständlich, auch die Châteaus in den Randappellationen zu besuchen. Nur so ist es möglich, Neuentdeckungen zu machen und unsere Kundinnen und Kunden mit Geheimtipps und vielversprechenden Newcomern zu überraschen.
Du bist drei- bis viermal pro Jahr im Bordeaux unterwegs. Welchem Zweck dienen die weiteren Besuche?
Ich treffe bestehende Lieferanten, möchte aber auch neue aufspüren. Neben dem Degustieren von neuen Jahrgängen und dem Vergleich von Weinen ist der Austausch mit den Winzerinnen und Winzern entscheidend. Der Handel mit Bordeaux-Weinen ist ein People Business. Man muss sich kennen und langfristige Beziehungen aufbauen. Dann bekommt man die Weine in den gewünschten Mengen und erfährt beim Mittagessen ganz nebenbei, welche Weingüter man auch noch kennenlernen sollte.
Wenn du über Bordeaux sprichst, leuchten deine Augen. Was macht für dich die Faszination der Bordeaux-Weine aus?
Für mich ist Bordeaux die Champions League, nirgends ist die Dichte an Superstars grösser als in dieser Region. Das Image, das sich die Winzerinnen und Winzer im Bordeaux aufgebaut haben und dem sie Jahr für Jahr gerecht werden, ist einmalig. Schlechte Wetterbedingungen nutzen sie nicht als Ausrede, sondern als Ansporn. Dank der zur Verfügung stehenden Technik und ihrem Wissen schaffen Sie es heute unabhängig von den Wetterbedingungen das Beste aus jedem Jahrgang herauszuholen. Das wäre vor vielleicht 30 Jahren noch nicht möglich gewesen. Sie erinnern mich an Schachspielende, die Traubenlese und Ausbau vorausschauend organisieren und strategisch geschickt umsetzen.
Wie ist dein Weg zum Bordeaux-Einkäufer verlaufen?
Nach einer Winzerlehre beim badischen Weingut Dr. Heger und einem Weinbaustudium in Geisenheim arbeitete ich ab 2000 am Mövenpick Wein Standort Zürich, Jelmoli. Nach ein paar Jahren wechselte ich ins Product Management und seit dem Jahrgang 2007 bin ich für den Bordeaux-Einkauf verantwortlich. Seit 2016 werden alle Bordeaux-Weine, die ich degustiere, auch im Fachmagazin Weinwisser publiziert.
Wie schaffst du es, aus diesem riesigen Angebot jedes Jahr ein spannendes, ausgeglichenes Sortiment aus langjährigen Klassikern und Neuentdeckungen zusammenzustellen?
Man muss immer neugierig bleiben und unvoreingenommen in die Degustationen gehen. Ich lasse mich gerne überraschen und vermeide es, mich auf die Appellationen festzulegen, die ohnehin bekannt und geschätzt sind. Zu meinen Aufgaben gehört es auch, streng zu selektieren. Nur weil wir ein Weingut seit vielen Jahren im Sortiment haben, heisst das nicht, dass wir jeden Jahrgang berücksichtigen. Mir ist es wichtig, dass sich die Kundinnen und Kunden auf unsere Empfehlungen verlassen können. Gleichzeitig schätze ich den Austausch mit der Kundschaft. Ich freue mich immer sehr auf das Feedback zu meiner Selektion, das meine Kolleginnen und Kollegen in den Weinkellern erhalten.
Bordeaux spaltet die Weintrinkerinnen und Weintrinker. Für die einen gibt es nichts Besseres, den anderen sagen die Weine gar nicht zu. Woran liegt das?
Viele haben einmal einen Bordeaux getrunken, den sie nicht mochten und ihr Urteil gefällt. Ich bin aber überzeugt, dass es niemanden gibt, der Bordeaux überhaupt nicht mag. Es geht viel eher darum, herauszufinden, welche Stilistik des Bordeaux man mag. Sind es eher die fruchtigen Jungen oder die komplexen Gereiften? Hier kommen meine Kolleginnen und Kollegen in den Weinkellern zum Einsatz, die mit ihrem Fachwissen gerne helfen. Bordeaux erfordert Geduld, und das ist Fluch und Segen zugleich. Ich verstehe, dass man sich fragt, warum man einen Bordeaux kaufen sollte, ohne einen Weinkeller zu besitzen. Wir haben aber immer auch gereifte Weine zu attraktiven Preisen in unserem Sortiment.
Bordeaux gilt als kompliziert, was sagst du zu diesen Klischees?
Bordeaux ist nicht komplizierter als andere Weinregionen. Viele haben Hemmungen, einen Bordeaux im Restaurant zu bestellen, weil sie befürchten, dessen Namen falsch auszusprechen. Das ist schade, denn ich finde, der Trinkspass sollte im Vordergrund stehen. Und diesen bietet Bordeaux auf jeden Fall.
Tjark Witzgalls persönliche Empfehlung:
direkt ab Château in perfekter Trinkreife
Ein Bordeaux, der nicht mehr gelagert werden muss? Suchen Sie nicht länger, der Château La Garde verspricht jetzt den grössten Genuss. Er stammt von einem der besten Terroirs in Pessac-Léognan und profitiert vom enormen Know-how des Château-Direktors Patrick Jestin.
Die Weissweinlegende aus dem Piemont
Das Weingut der Familie Giacosa ist weltberühmt für eine formidable Stilistik, die auch im facettenreichen Weisswein Roero Arneis unverkennbar ist. Eine tragende Rolle in der Erfolgsstory dieser autochthonen Spezialität spielt der Traditionalist Bruno Giacosa, dessen Tochter Bruna mit dem Jahrgang 2021 gerade wieder eine vorzügliche Interpretation dieses piemontesischen Klassikers abgeliefert hat.
Italiens Weine bringen «Dolce Vita» ins Glas
Endlich: Die Tage werden länger und die Temperaturen steigen fühlbar. Der Frühling ist in der Schweiz angekommen. Was könnte besser zur Leichtigkeit dieser Jahreszeit passen als ein wenig Italianità? Aus diesem Grund entführen wir Sie heute in die Welt der italienischen Weine. von Mövenpick Wein
Das Comeback des Jahres
Seit Jahrhunderten gehört Sherry zu den Klassikern unter den edlen Getränken. Nachdem die außergewöhnlichen Weine aus der Gegend von Jerez de la Frontera eine Zeitlang aus der Mode waren, gibt es derzeit eine wahre Renaissance. Zu den Vorreitern dieser leidenschaftlichen Qualitätsoffensive zählt die Bodega Álvaro Domecq – unsere Neuentdeckung aus Andalusien.
Napa-Chardonnay mit burgundischer Aura
«Was heute gut genug ist, ist morgen nicht gut genug» lautet die Devise von René Schlatter, der seit 2008 an der Spitze von Merryvale steht. Permanente Weiterentwicklung ist deshalb ein Ziel. Sinnbildlich dafür steht sein Napa-Chardonnay aus Carneros, der kalifornische Intensität gekonnt mit europäischer Raffinesse verbindet.
Perfekt gereift aus Chiles Schatzkammer
Die Rotweine von Eduardo Chadwick zählen nicht nur zu den besten Chiles, sondern zu den charismatischsten Gewächsen der gesamten Weinwelt. Sein Cabernet-Blend Don Maximiano ist dafür seit vielen Jahren ein eindrucksvoller Beweis. Nun ist es uns gelungen, vom hoch bewerteten Jahrgang 2012er eine Weingutsreserve einzukaufen, die sich nach 10 Jahren Kellerreife in begeisternder Hochform präsentiert. Von Anselm Link
Ein pazifisch angehauchter Shiraz - «The Yard» 2019
In Australien ist Larry Cherubino längst ein Star. Nicht umsonst zeichnete James Halliday, der wichtigste Weinkritiker des Landes, Cherubinos Gut mit der Höchstwertung von 5 Sternen aus und adelte den Betrieb als “Best Value Winery”. Hierzulande zählen die Weine aus Frankland River, die einen herrlichen Mix von fruchtigem Schmelz und maritimer Frische zeigen, noch zu den absoluten Insidertipps aus Down Under. Wohlgemerkt noch!