Italien, Latium, Rom

Latium abseits Roms: sanfte Hügel, alte Dörfer, geheimnisvolle Kraterseen – und das Weingut Casale del Giglio, wo der Petit Manseng auf Vulkanböden zur aromatischen Offenbarung wird. Stille Schönheit, die im Glas leuchtet.

Latium – oder Lazio, wie die Italiener sagen – ist eine Region, die man nicht nur sieht, sondern fühlt. Sie liegt im Herzen Italiens, dort, wo die sanften Ausläufer der Apenninen in die glitzernde Weite des Mittelmeers übergehen. Rom, die Ewige Stadt, ist ihr strahlender Mittelpunkt – weltberühmt für ihre Monumente, Plätze und Geschichte. Doch wer nur dem Petersdom, der Spanischen Treppe oder dem Kolosseum seine Aufmerksamkeit schenkt, übersieht die leisen Wunder, die sich jenseits der Stadtmauern verbergen.

  • Civita di Bagnoregio

    Civita di Bagnoregio thront spektakulär auf einem Tuff-Berggrat – ein Juwel, welches die zeitlose Schönheit des Latiums verkörpert.

Wer Rom verlässt, lässt den Lärm der Piazza hinter sich. Die Strassen werden schmaler, das Dröhnen der Motorroller verstummt, und plötzlich öffnet sich eine Landschaft wie aus einem alten Ölbild: sanft geschwungene Hochebenen, Felder in allen Schattierungen von Gold und Grün, Olivenhaine, deren knorrige Stämme schon Jahrhunderte gesehen haben, Wälder, in denen das Licht wie flüssiger Honig durch das Laub rinnt. Zwischen all dem blitzen immer wieder Kraterseen auf – stille, tiefblaue Augen, die von längst erloschenen Vulkanen zurückgelassen wurden.

  • Italienisches Lebensgefühl

    Und dann sind da diese Dörfer. Kleine Orte, in denen die Zeit langsamer geht, vielleicht sogar manchmal stillsteht. Steingassen, in denen Katzen sich in der Sonne räkeln, alte Männer, die auf Bänken sitzen und wortlos das Treiben beobachten, und aus den Küchen weht der Duft von Brot, das noch im Holzofen gebacken wird. Latium ist eine Bühne für all diese kleinen, stillen Szenen – und für eine Küche, die aus dem schöpft, was die Erde gibt.

Doch Latium kann noch mehr als kochen. Es kann Wein. Und wie.

Ein gutes Beispiel dafür liegt rund fünfzig Kilometer südlich von Rom: das Weingut Casale del Giglio. Es ruht im Agro Pontino, einem fruchtbaren Tal, das einst Sumpf war – feucht, undurchdringlich, von Mücken umschwirrt – und heute eine Kulturlandschaft, in der sich Reben in der Sonne wiegen. Hier arbeitet man nicht einfach nach Vorschrift, hier forscht und probiert man. Neue Rebsorten werden wie kostbare Samen in den Boden gelegt, alte Sorten mit neuem Wissen wiederbelebt. Jede Parzelle, jede Pflanze wird beobachtet, als hätte sie eine eigene Persönlichkeit.

  • Casale del Giglio

Petit Manseng – ein unvergleichlicher Weisswein

Besonders faszinierend sind die Weissweine. Unter ihnen leuchtet der Petit Manseng – eine französische Rebsorte, die auf Latiums mineralreichen Vulkanböden ihr eigenes, unverwechselbares Gesicht bekommt. Sein Duft ist wie ein Spaziergang durch einen Sommergarten: reife Pfirsiche, ein Hauch exotischer Früchte, vielleicht ein Anklang von Honig. Am Gaumen zeigt er Fülle, ohne schwer zu sein, und eine Frische, die fast an einen kühlen Morgen erinnert, wenn Tauperlen an den Reben hängen.

  • Wein wie das Latium selbst

    Man sitzt hier, ein Glas in der Hand, und hört in der Ferne das Zirpen der Grillen. Die Sonne steht tief, taucht die Hügel in warmes, goldenes Licht. Der Wein erzählt von diesem Land, von seinen stillen Kräften und seiner Geduld. Er muss nicht laut sein, um zu wirken. Er ist wie Latium selbst – zurückhaltend, aber unvergesslich, sobald man ihm begegnet ist.

    Wer das Latium so erlebt, versteht, dass es mehr ist als eine Region. Es ist ein Dialog zwischen Landschaft, Mensch und Zeit. Und manchmal reicht ein Schluck, um zu begreifen, dass wahre Schönheit nicht in den grossen Gesten liegt, sondern in jenen Momenten, die still genug sind, dass man sie hören kann.