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Alles über Holzfässer

Barrique, Pièce oder Fuder – welches Holzfass hat welche Grösse? Und inwiefern beeinflusst die Wahl des Fasses den Charakter eines Weins? Fragen über Fragen. Da sich im Laufe der Jahrhunderte vielfältige Formen und Bezeichnungen entwickelt haben, wollen wir Ihnen die wichtigsten, heute gebräuchlichen Fasstypen vorstellen.

von Anselm Link am 18.01.2025

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Fuderfässer so weit das Auge reicht – im Kellergewölbe des Moselweingutes Maximin Grünhaus

Vom Transportbehälter zum Qualitätsfaktor

Der Weinausbau im Holzfass hat eine lange Tradition. Seit Jahrhunderten schon sind Fässer als Transport- oder Lagergefäss in Gebrauch – bereits die Griechen und Römer benutzten in der Antike Fässer, weil sie als Alternative zu Weinschlauch und Amphore ein bewegliches Gefäss aus stabilem Material benötigten. Später dienten Fässer britischen Kaufleuten zugleich als “Verpackung” und Masseinheit für ihre Portwein-, Sherry- und Marsala-Exporte, damit sie die Weine aus ihren Ursprungsländern wohlbehalten übers Meer schiffen konnten. Als man dann erkannte, dass die Weine häufig von dieser Transport-Fasslagerung profitierten, etablierten sich die Holzgebinde in der Folge auch für die gezielte Verfeinerung. So sind Holzfässer ein wichtiger Bestandteil kunstvoller Weinherstellung geworden, denn der Reifeprozess hat einen erheblichen Einfluss auf den Geschmack, die Textur und die Komplexität – ja, man kann sagen den gesamten Charakter des Weins. Im Gegensatz zu früher wird die Grösse des Fasses, die Art des Holzes und ein eventuelles Toasting heute sehr genau auf den jeweiligen Wein abgestimmt. Denn kleine Fässer aus neuem Holz prägen die Struktur und die Aromatik eines Weins auf ganz andere Art und Weise als grosse Fässer, die schon viele Jahre in Gebrauch sind.

Die heute bekannteste Fassvariante für den Weinausbau ist das „Barrique Bordelaise“ – ein 225 Liter fassendes Gebinde aus Eichenholz, in dem der Wein zur aromatischen und strukturellen Verfeinerung gelagert wird. Meist werden Barriques nur ein- bis dreimal genutzt, weil diese Fässer dann ausgelaugt sind und weder Tannine noch Aromen an den Wein abgeben. Manche Weingüter verwenden aber auch diese mehrfach gebrauchten Barriques anschliessend noch als neutrales Reifegefäss. Seinen Namen verdankt das Barrique übrigens der Julirevolution 1830, als mit Erde gefüllte Fässer als Strassensperren (Barrikaden) dienten.

 

Ursprünglich wurde die Grösse eines Barriques so bemessen, dass eine einzelne Person in der Lage sein sollte, das leere Holzgebinde zu tragen und in gefülltem Zustand zu rollen – da es diesbezüglich jedoch keine verbindlichen Normen gab, entwickelten sich verschiedene Barrique-Varianten, die hinsichtlich ihres Volumens recht ähnlich, aber nicht identisch sind: Im Unterschied zum Bordelaiser Barrique fasst das „Barrique Nantaise“ 230 Liter, während ins „Barrique Béarnaise“ 300 Liter passen. Damals für den Export von Bordeauxweinen entwickelt und deshalb durch eine gute Transportfähigkeit gekennzeichnet, weist das Barrique zudem eine besondere Relation zwischen Holzoberfläche und Weinvolumen auf, weswegen dieser Fasstyp heute aber auf der ganzen Welt für die Veredelung von Rot- und Weissweinen eingesetzt wird. Denn aufgrund des wohldosierten Kontakts mit Sauerstoff durch die Holzporen reifen nicht nur Frucht und Tannine schneller, durch den Ausbau im Fass erhalten die Weine auch eichenwürzig-röstige Barriquenoten, die an Kakao, Vanille, Kaffee und Karamell erinnern; diese rauchigen Noten entstehen beim Toasting, dem traditionellen Ausbrennen der neu gefertigten Barriquefässer. Neben dem Röstgrad spielt aber auch die Herkunft des Holzes für das Aroma eine wichtige Rolle: In Frankreich sind insbesondere die Wälder von Allier, Limousin und Nevers für ihr charakteristisches Holz berühmt.  

Zwar etwas gedrungener und dickbauchiger in der Form, doch dem Barrique optisch, vom Fassungsvermögen und der Funktion sehr ähnlich ist das „Pièce” – ein kleines Eichenfass, das vor allem im Burgund gebräuchlich ist und in der Regel ein- bis dreimal für die aromatische und strukturelle Verfeinerung verwendet wird. Früher konnte man Barriques und Pièces äusserlich noch etwas besser unterscheiden, weil die Metallreifen beim Burgunderfass meist schwarz gestrichen waren, das ist heute oft nicht mehr so. Mittlerweile sind die verschieden dicken Fassdauben (die gebogenen Längsbretter) das deutlichste Differenzierungsmerkmal: Bei einem Pièce beträgt die Stärke 30 Millimeter, bei einem klassischen Barrique hingegen nur 20 bis 25 Millimeter. Ähnlich wie beim Barrique versteht man unter einem Piece aber nicht überall das Gleiche: Während das traditionelle "Pièce Bourguignonne" an der Côte d’Or ein Volumen von 228 Litern fasst, bietet ein Pièce in den Anbaugebieten Beaujolais und Mâconnais 215 Litern Wein Platz, in der Champagne hingegen 205 Litern.

Früher gelegentlich auch aus Kastanien- oder Kirschholz gefertigt, werden die vor allem für Italien typischen, grossen Fässer mit einem Fassungsvermögen von 2500, 5000 oder sogar 10'000 Liter heute meist aus Eiche hergestellt. Ob Brunello di Montalcino, Salice Salentino oder Barolo – viele berühmte Rotweine vom Stiefel reifen traditionell in einem grossen Holzfass, was nicht heisst, dass heute viele dieser Klassiker nicht auch in kleinen Fässern ausgebaut werden. Bei guter Pflege können die „botti grandi” häufig 50 Jahre oder sogar noch deutlich länger benutzt werden. Da das Holz schon nach kurzer Zeit keine Tannine oder Aromen mehr an den Wein abgibt und die Menge des Sauerstoffs, der durch die Dauben eintritt, im Vergleich zum Fassungsvermögen relativ gering ist, steht bei diesem Fasstyp immer die langsame Reifung im Mittelpunkt. In Deutschland besitzen grosse Holzfässer historisch ebenfalls eine lange Tradition, auch wenn sich hierzulande mittlerweile kleinere Formate durchgesetzt haben: Ein besonders eindrucksvoller Beleg dafür ist das „Grosse Fass” in Heidelberg – ein Vorratsspeicher für Wein aus dem 18. Jahrhundert mit einem beeindruckenden Fassungsvermögen von rund 220'000 Litern.   

Riesenfässer wie das aus Heidelberg gehören zwar der Vergangenheit an, doch grossformatige Holzbehälter wie beispielsweise das Fuderfass sind in Deutschland noch immer ein fester Bestandteil der Weinreifung. Ursprünglich ist Fuder eine alte Masseinheit, die immer schon für Wein, daneben aber auch für viele andere Produkte, wie zum Beispiel Heu, Erz und Kohle, verwendet wurde. Die Bezeichnung „Fuder" steht eigentlich für eine „Fuhre", die Ladung eines zweispännigen Wagens. Dass dabei früher grosse regionale Unterschiede bestanden, ist nicht verwunderlich, denn wieviel ein Pferdefuhrwerk befördern konnte, war nicht genormt und deswegen nicht überall gleich – zwischen Fässern mit 900 Litern in Franken, 960 Litern an der Mosel oder 1500 Litern in Baden war alles möglich.


Trotz aller historischen Unterschiede hat sich der Begriff Fuder heute für Holzfässer mit einem Volumen von 1000 Litern etabliert, vor allem an Mosel und Saar, in Rheinhessen und in der Pfalz. Da es bezüglich der Bezeichnung und dem Inhalt von Fässern nach wie vor kaum weinrechtliche Vorgaben gibt, sind unterschiedlich grosse Fuder aber auch heute noch verbreitet. Ähnlich ist die Lage in Frankreich, wo das Foudre sinngemäss dem Fuder entspricht und die Volumina ebenfalls sehr verschieden ausfallen: Ein 1000-Liter-Fass kann ebenso Foudre heissen wie ein Holzgebinde mit einem Fassungsvermögen von 3000 Litern. Viele Fuderfässer haben eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten, denn im Unterschied zu Barriques spielt beim Fuder die Übertragung von Tanninen und Aromen keine Rolle, weil die langsame Reifung des Weins in neutralem Holz im Vordergrund steht.

Das Stückfass zählt in Deutschland seit vielen Jahrhunderten zu den gebräuchlichsten Holzgebinden für den Ausbau von Wein. Insbesondere bei der Lagerung von Mosel- und Rheinwein hat dieses grosse Holzfass eine lange Tradition. Ähnlich wie beim Fuderfass besassen auch Stückfässer in der Vergangenheit regional zum Teil recht unterschiedliche Füllmengen und noch heute gibt es weinrechtlich keine verbindliche Vorgabe bezüglich des Fassungsvermögens – dennoch versteht man heute in Deutschland unter der Bezeichnung "Stück" meist ein Eichenfass mit 1.200 Litern Inhalt. In Analogie dazu gibt es auch das 600 Liter fassende Halbstück- oder das Doppelstückfass mit 2400 Litern Volumen. Ebenso gebräuchlich ist die Bezeichnung "Viertelstück" für ein 300-Liter-Gebinde oder "Dreistück" für ein Holzfass mit einem Volumen von 3600 Litern. Da es bei der Lagerung in Stück-, Doppelstück- und Dreistückfässern immer um die langsame Entwicklung des Weins geht und nicht um dessen schnelle Reifung oder Aromatisierung, werden diese grossen Holzgebinde in der Regel viele Jahrzehnte verwendet.

Was deutschen Winzerinnen und Winzern Stückfass und Fuder bedeuten, sind den französischen Foudre, Muid und Tonneau. Der Begriff Muid bezeichnet einen Fasstyp mit einem Volumen von 1300 Litern, der vor allem in den Weinkellern der Rhône zum Einsatz kommt – insbesondere im Bereich Châteauneuf-du-Pape sind diese Fässer sehr populär. Die „halbe” Grösse heisst „Demi-Muid”, fasst 600 Liter Wein und ist in Frankreich heute von der Champagne bis ins Languedoc-Roussillon verbreitet. Während beim Muid, ähnlich wie bei Fuder und Stückfass, die langsame Reifung im Vordergrund steht, kommt das Demi-Muid im Weinkeller immer dann zum Einsatz, wenn der Holzeinfluss zwar präsent sein, aber moderat ausfallen soll. Denn im Vergleich zum noch deutlich kleineren Barriquefass hat das Demi-Muid pro Liter Volumen eine viel geringere Oberfläche, sodass die Mikro-Oxidation und damit der Entwicklungsprozess des Weins ebenso geringer ausfällt, wie auch die Prägung durch Tannine und Aromen bei der Verwendung von kleineren, neuen Holzfässern.

Das Tonneau ist ein altes, französisches Volumenmass für trockene Waren und Flüssigkeiten: Als Masseinheit für das Gewicht entsprach 1 Tonneau 1000 Kilogramm, als Hohlmass 900 Litern, umgerechnet also 1200 Flaschen Wein. Bis die Barriquefässer im 18. Jahrhundert populär wurden, waren Tonneaus auch in Bordeaux das übliche Holzgebinde – da sie aber für Schiffsreisen zu unhandlich waren, etablierten sich in der Folge kleinere Fassmasse für den Transport übers Meer.


Heute werden unter der Bezeichnung Tonneau Fässer in verschiedenen Grössen gefertigt, wobei in Frankreich unter diesem Namen aktuell vor allem Eichengebinde mit einem Volumen von 500 Litern weit verbreitet sind. Bei Weinen, die in neuen Tonneaus ausgebaut werden, ist der Holzeinfluss ähnlich wie bei den Demi-Muids zwar spür- und schmeckbar, er fällt aber hinsichtlich des Tannin- und Aromeneintrags im Vergleich zu Barriques deutlich geringer aus, da die Oberfläche, die Kontakt zum Wein hat, im Verhältnis kleiner ist. Dadurch findet auch weniger Mikro-Oxidation statt, weil geringere Mengen Sauerstoff durch die Poren des Holzes in den Wein gelangen, weswegen der Wein im Vergleich zu Barriques langsamer reift. 

Grosses Holz oder kleines Holz? Eine Frage des Geschmacks!

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass kleine Holzfässer wie Pièce und Barrique die Charakteristik eines Weins mit Eigenaromen und Tannin viel stärker beeinflussen als grosse Reifegebinde wie Fuder- oder Stückfass, weil die Grösse der Holzoberfläche im Verhältnis zum Volumen des Weins entscheidend für die Intensität der Eichenwürze und die Reifung des Weins ist. Je kleiner dass Fass, desto grösser der Impact soweit die Theorie. Die Praxis kann dann aber auch anders aussehen, weil ein neues, mittelgrosses Fass wie ein Tonneau oder Demi-Muid einem Wein mehr Eichenwürze verleiht als ein schon dreimal benutztes Barrique.


Regionale Ausbautraditionen spielen auch heute noch eine überaus wichtige Rolle. Doch in einer globalisierten Welt findet zugleich ein kontinuierlicher Austausch von Techniken statt. Das bedeutet, dass in vielen Kellern, beispielsweise an der Mosel, die klassischen Fuderfässer noch immer erste Wahl sind, mittlerweile aber auch einige Weine nach burgundischem Vorbild im Pièce ausgebaut werden, während Stückfasser inzwischen in der Neuen Welt zu finden und Barriques rund um den Globus zu Hause sind. Denn am Ende entscheidet jede Winzerin und jeder Winzer, ob und wie deutlich die Charakteristik eines Weins vom Holz geprägt sein soll und wählt die Fassgrösse ebenso wie die Herkunft des Holzes, das Alter des Fasses und das Toasting nach den angestrebten Eigenschaften des Weins gezielt aus. Damit der Fasscharakter bestmöglich in den Wein integriert ist, kombinieren heute viele Kellermeister beim Ausbau neutrale mit aromatischen und grosse mit kleinen Fassvarianten, damit die Wirkung des Holzes wie erwünscht zur Geltung kommt.

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Das typische Burgunderfass (Pièce) ist an den schwarz gestrichenen Metallreifen zu erkennen
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Klassische Muids im Keller von Rhone-Ikone Guigal
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Die Rioja-Bodega Baigorri baut ihre Weine in klassischen Barriques aus
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Traditionelle Fuderfässer können viele Jahrzehnte alt werden

Eine handverlesene Auswahl holzfassgereifter Weine:

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